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Headline: Sicherstellen, dass die Schwächsten bei internationalen Klimaentscheidungen Gehör finden

Nicola Sharman ist seit April 2024 als Fellow am RIFS. Sie beschäftigt sich mit der demokratischen Legitimität des internationalen Klimarechts. Sie kommt von der Universität Ostfinnland, wo sie am Projekt 2035Legitimacy beteiligt ist. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Ausübung von Verfahrensrechten im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention aus der Sicht der vom Klimawandel am stärksten Betroffenen. 

Nicola Sharman RIFS Fellow
Nicola Sharman ist im April 2024 als Fellow ans Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit - Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) gekommen. RIFS/ S. Letz

Ihre Forschungsgebiete sind demokratische Legitimationsdefizite und das internationale Recht zum Klimawandel. Könnten Sie dies bitte ein wenig erläutern? 
Nicola Sharman: Die Staaten haben sich auf internationaler Ebene im Rahmen des Pariser Abkommens bereits darauf geeinigt, dass die globale Reaktion auf die Klimakrise schnell und ehrgeizig sein muss. Der Klimawandel wirkt sich auf das Leben der Menschen weltweit aus, vor allem auf diejenigen in gefährdeten Gebieten. Doch je ehrgeiziger die Klimapolitik ist und je schneller der Gesellschaft Veränderungen aufgezwungen werden, desto schwieriger wird es, dass die Maßnahmen gerecht und akzeptabel sind und von Betroffenen akzeptiert werden. Aus der Sicht demokratischer Gesellschaften müssen daher Entscheidungen zum Klimawandel bis hin zu den höchsten internationalen Ebenen demokratisch legitimiert sein. Denn die Menschen erwarten ein Mitspracherecht bei Entscheidungen, die für ihr Leben so folgenreich sind. Aber überall auf der Welt gibt es eindeutige Beispiele von Gruppen, die sich dem Protest und den Gerichten zuwenden, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden, und die misstrauisch gegenüber den Mächten sind, die hinter den Kulissen im Spiel sind. Wenn die Menschen kein Vertrauen in die internationalen Institutionen haben, die für die Festlegung globaler Klimaschutzverpflichtungen zuständig sind, besteht die Gefahr, dass die globalen Klimaschutzmaßnahmen insgesamt untergraben werden.


Worauf werden Sie sich in den nächsten Monaten hier am RIFS konzentrieren? Was ist Ihr besonderes Interesse?
N. S.: Ich nähere mich diesem Thema aus rechtlicher Sicht und interessiere mich daher dafür, ob die Beteiligung der Zivilgesellschaft auf den internationalen Ebenen der Entscheidungsfindung zum Klimawandel als Menschenrecht behandelt wird. Und ich interessiere mich besonders für die am stärksten betroffenen Gruppen, die es besonders schwer haben, sich zu beteiligen. Eine der Fragen, die ich mir stelle, ist, was bestimmte Regierungen und Staaten tun, um dieses Recht auf Beteiligung zu erfüllen und sicherzustellen, dass die Stimmen der Zivilgesellschaft gehört werden und in der UNFCCC auf faire und sinnvolle Weise vertreten sind. Es gibt bestimmte Staaten, die nach der Aarhus-Konvention rechtlich dazu verpflichtet sind, dies zu tun. Ich möchte daher näher darauf eingehen, ob die Vertragsstaaten des Übereinkommens dieser Verpflichtung in der Praxis nachkommen.


Suchen Sie auch nach Lösungen, um es besser zu machen?
N. S.: Zunächst werde ich mich wahrscheinlich eher darauf konzentrieren, Lücken zu identifizieren und zu vergleichen, was erwartet wird und was die Staaten in der Praxis tun. Und wenn ich dann die blinden Flecken identifiziert habe, ist das der Punkt, an dem ich in der Lage sein könnte, Empfehlungen darüber auszusprechen, was die Staaten und die Institutionen des UNFCCC besser machen können, um demokratische Werte in der Entscheidungsfindung zu fördern.


Sie haben früher als Anwältin gearbeitet. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen? 
N. S.: Ich arbeitete eine Zeit lang in Wirtschaftsunternehmen, wollte aber einen Weg finden, meine juristischen Fähigkeiten in einem Bereich einzusetzen, der mir mehr am Herzen lag. Schließlich verließ ich diesen Karriereweg und ging zurück an die Universität, um einen Master-Abschluss in globalem Umweltrecht zu machen. Kurz darauf schloss ich mich dem Projekt 2035Legitimacy an, einem Forschungskonsortium, das sich mit der Legitimität der Klimapolitik in Finnland befasst. Es war eine großartige Gelegenheit für mich, an Fragen der öffentlichen Beteiligung und der Menschenrechte mitzuarbeiten, für die ich mich während meines Studiums interessiert hatte. 
Ein Schlüsselmoment für mich war die Teilnahme an der COP26 in Glasgow. Das war zu dem Zeitpunkt, als ich gerade bei dem Projekt begonnen hatte, aber noch nicht wusste, worauf ich meine Forschung konzentrieren wollte. Glasgow war eine überwältigende Erfahrung; es waren so viele Menschen auf der Konferenz. Außerdem gab es in diesem Jahr viele Bedenken hinsichtlich der Teilnahme von Beobachtern, vor allem, weil die Konferenz im Jahr zuvor wegen COVID abgesagt worden war und viele Beschränkungen noch in Kraft waren. Ich erfuhr, was es bedeutet, als Beobachterin an diesen Konferenzen teilzunehmen, wie schwierig es ist, sich zurechtzufinden oder das Gefühl zu haben, etwas bewirken zu können. Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie privilegiert ich war, Zugang zum Konferenzraum zu haben, und wie abgeschirmt ich mich von den Demonstrationen und Aktionen der Zivilgesellschaft draußen fühlte.


Welche neuen Erkenntnisse erhoffen Sie sich von Ihrer Forschung? 
N. S.: Im Moment ist das Projekt noch sehr explorativ, und ich bin noch sehr offen dafür, wohin es führen wird. Ich möchte einige positive Empfehlungen dazu abgeben, wie die UNFCCC-Prozesse verbessert werden können, insbesondere aus der Sicht der schwächsten und am stärksten betroffenen Teile der Gesellschaft. Wie kann man ihren Stimmen in diesen Bereichen mehr Gehör verschaffen? 


Und wenn ein Staat nicht demokratisch ist? 
N. S.: Legitimität kann von verschiedenen Menschen, Akteuren und Gesellschaften unter verschiedenen Umständen unterschiedlich gemessen werden. Ich betrachte das Thema aus der Sicht von Staaten, in denen die Demokratie als politisches Ideal hoch geschätzt wird. Einige der Hauptakteure bei der Bewältigung der Klimakrise sind demokratische Staaten wie etwa die EU und die USA, so dass die demokratische Legitimität aus der Sicht dieser Akteure wichtig ist. Für Länder mit einer schwächeren demokratischen Kultur könnte die Legitimität des UNFCCC anders bewertet werden. Aber unabhängig davon hängt die Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen davon ab, dass die internationale Entscheidungsfindung von allen Staaten als legitim angesehen wird, so dass auch die weniger demokratischen Länder ein indirektes Interesse daran haben, dass die UNFCCC von anderen als demokratisch legitim angesehen wird.